So verwirrend die Überschrift zu diesem Post ist, so gehts mir in vielen Workshops oder Kundengesprächen. „Walter, eine ganz blöde Frage, aber was ist eigentlich Storytelling.“ Jetzt könnte man sagen: „Geschichten erzählen, was denn sonst?!“, nun ja, irgendwie so einfach scheint es doch nicht zu sein.
Und wenn ich ehrlich bin, dann gehts mir so, dass ich selber immer wieder neue Definitionen und Einsatzgebiete dieses Wortes finde. Da glaubt man schon, dass man alles gehört hat …
Ok, was ist also für den 2. Blogpost besser geeignet, als mal Orientierung geben, oder?
Ich habe mich dazu entschieden, mit dem vielleicht eindeutigsten Szenario zu beginnen. Storytelling auf der Bühne. Ich verwende die Bezeichnung „Bühne“ übrigens recht breit: Keynotes, Pitches und Präsentationen, überall da wo wir sprechen ist für mich Bühne (in meinen Augen sollte das jeder Sprecher auch so sehen).
Also, was ist Storytelling auf der Bühne: Geschichten erzählen und die erzeugten Bilder für sich nutzen. As simple as that. So einfach ist es natürlich auch wieder nicht, aber klar zu verstehen: Was haben ich oder andere in der Vergangenheit erlebt, das ich für Klarheit, emotionale Verbindung zu den Empfängern oder Steigerung meiner Reputation verwenden kann. Im Grunde wie ein einfaches Gespräch in der Kneipe, nur eben nicht trivial sondern zielgerichtet, mit einer Aussage.
Ach ja, ein Takeaway für dich bei Stories auf der Bühne:
Übrigens geht es hier nicht darum Geschichten zu erfinden, nur damit wir uns verstehen.
Kontext? Ja genau, Kontext. Das Problem ist, dass wir nackte Zahlen, Daten, Fakten oft schwer einordnen können. Einer der Klassiker ist hier der CO2-Verbrauch. Ein Auto verbraucht ca. 180 g pro km. Bei einem Arbeitsweg von 40 km kommen da hin und zurück schnell mal gute 14kg zusammen.
Ich bin einmal mit dem Fahrrad gependelt und habe das einem Kollegen erzählt … 14 kg. Er ist aus allen Wolken gefallen. In meinen Augen eine seltsame Reaktion, denn er hatte keinen Kontext. 14 kg im Vergleich zu was? Was bedeuten diese 14 kg für uns?
Wie viel CO2 bindet eigentlich ein Baum? Das könnte ein guter Kontext sein, jeder weiß ja wie ein Baum aussieht. Ich google mal.
Ich finde eine Zahl: 12,5 kg CO2 pro Jahr. Jetzt wird eine Emotion ausgelöst, die dazu führt, dass ich womöglich häufiger Fahrrad fahren werde.
Wichtig: Bevor nun ein großer Aufschrei losgetreten wird, dass das ja so nicht ganz korrekt ist und es darauf ankommt, ob die Kilometer mit einem Audi oder einem BMW gefahren wurden, es geht mir hier um Kommunikation und wie Kontext funktioniert (und ein bisschen um Fahrrad fahren).
Eine weitere Möglichkeit Kontext zu geben sind Metaphern. Im Grunde zeigen Metaphern einen Sachverhalt in einer bekannten Welt. Was das Thema betrifft bin ich aber vorsichtig. Wer in der IT-Welt unterwegs ist, der kennt Metaphern (ich sage nur „Schnellboot“). Meist werden sie hier aber benutzt, um Halbwissen geschickt zu kaschieren. Ich möchte sie dennoch erwähnen, da sie mit ein wenig Kreativität auch starke Wirkung haben können. Also bitte kein Schnellboot.
Wenn du nun Zahlen, Daten, Fakten kommunizierst, dann fokussiere dich auf die wichtigsten Informationen und setze sie in Kontext. Das heißt, dass sie verstanden werden und womöglich auch Emotionen auslösen. Tipp: „Was bedeutet das für uns?“ Ist eine hilfreiche Frage, wenn du eine KPI vor dir hast.
Also nochmal ganz kurz: Kontext kreieren ist auch Storytelling.
„Ein Bild sagt mehr als 1000 …“ den Spruch kennt jeder. Ich stimme ihm nur bedingt zu, vor allem aus Storytelling-Sicht. Viele machen es sich nämlich zu einfach: Schnell mal ein Stock-Foto mit CC0-Lizenz besorgen und ab damit ins Dokument. Zu sehen sind dann meist paar geleckte Büro-Modells, die wie auf Droge lachen und sich die Hände reichen.
Wo ist hier das Problem? Ja, wir erkennen Stock-Fotos, aber das ist nicht der Punkt. Das Ziel ist es immer Bilder in den Köpfen unserer Empfänger zu kreieren, ein Bild im Dokument löst erst mal gar nichts aus. Dafür braucht es schon ein bisschen mehr.
Wie oben beschrieben können diese Bilder durch eine erzählte Geschichte ausgelöst werden. Braucht es dazu ein visuelles Bild? Nope, natürlich nicht. Unter Umständen kann ein Bild die Geschichte verstärken, in meinen Augen passiert das im Business-Umfeld aber eher selten.
Soll das Bild für sich alleine stehen und in den Köpfen der Empfänger etwas auslösen (Emotionen und so), dann funktionieren Bilder aus der Dose nicht. Sie schaffen keine Verbindung. Es fühlt sich eher so an wie GZSZ früher, irgendwie billig.
Warum nicht mal ein nicht ganz perfektes Smartphone-Bild verwenden, dass das Großraum-Büro mit allen Mitarbeitern zeigt? Warum nicht mal ein kleines Selfie-Video machen, von dem Produkt, wie es im Real-Life verwendet wird? Oder gar ein Bild von den Menschen zeigen, denen es helfen soll?
Bilder müssen etwas auslösen, deswegen müssen sie „real“ sein. Nur dann erzählen sie eine Geschichte. Platte Stock-Fotos mit Büro-Modells lösen nicht nur nichts aus, in meinen Augen sind sie sogar schädlich für die Kernaussage. Im Grunde genommen gilt auch hier: Keine Geschichten erfinden.
(Das heißt nicht, dass Stock-Fotos grundsätzlich „verboten“ sind, aber wähle sie bitte mit sehr viel Bedacht.)
Was meine ich mit Strukturen? Du kennst sicher diese Menschen, die sehr viel sprechen, aber es fühlt sich so an, als ob sie sich im Kreis drehen oder anders, als ob ihre Wörter irgendwie keinen Kern haben. Ich denke da an so billiges Milcheis im XXL-Pack (Metapher!).
Viele Menschen - insbesondere Extrovertierte - können nicht anders, sie müssen sprechen um denken zu können. Das ist ok, warum auch nicht. Sie brauchen aber beim gesprochenen Wort Strukturen, vor allem wenn es wichtige Situationen sind.
Strukturen sind aber auch beim geschriebenen Wort wichtig, sei es in Dokumenten oder auf Homepages. Hier passiert es seltener, das Autoren sich beim Schreiben im Kreis drehen, aber dennoch können unstrukturierte Texte nur sehr schwer verständlich sein.
Jetzt ist es so, dass es ein Haufen Patterns für Strukturen gibt und ebensoviele Menschen, die propagieren, dass ihr Favorit die ultimative Wahrheit ist. Nun, die Antwort darauf welches davon das richtige Pattern ist, kannst du dir wohl selber geben. Eine ultimative Lösung gibt es nicht.
Das bekannteste ist sicher der Golden Circle, den Simon Sinek so berühmt gemacht hat. WHY - WHO - WHAT, du kennst es. Finde ich das Pattern gut? Ja, definitiv. Nutze ich es immer? Nein. Zunächst mal ein kleiner Tipp: Das WHY muss nicht immer so pathetisch werden. Stell dir einfach mal die Frage: „Warum ist das was ich sagen will für uns relevant?“.
Ist es eigentlich verboten mit WHAT zu starten? Nein, natürlich nicht. In Terminen mit dem Management empfehle ich sogar mit WHAT anzufangen. Die Jungs im Anzug wollen eben schnell wissen, was das Thema ist, oder? (Vergiss aber danach bitte nicht „Warum ist das für uns relevant?“. Das machen nämlich viele.)
Manchmal verwende ich auch sowas: WHAT (Teaser) - WHY - HOW -WHAT. Kommt halt drauf an … bzw. besser: Probier halt mal aus. Solche Patterns sollen uns helfen und wir sind nicht ihre Sklaven.
Was hat das mit Storytelling zu tun? Bei Storytelling geht es um Klarheit und Botschaften, wie in diesen Strukturen auch.
„Warum baut ihr Elektroautos, Elon?“ … „Weil uns die Transformation zu nachhaltiger Mobilität zu langsam geht“. Klare Botschaft. Im Fall Tesla zieht sich diese Warum-Botschaft durch alle Stories durch, wird also zum Narrativ.
Ich werde sicher noch einiges zu Strukturen schreiben, vor allem, weil es so viele gibt. Und wie du siehst gibt es nicht das eine ultimative Pattern. Aber um zu verstehen was ich damit meine, soll der kleine Ausflug zum Golden Circle erst mal reichen.
Puh, jetzt am Ende erwartest du womöglich eine Definition. Gar nicht so einfach und ehrlich gesagt finde ich es auch nicht wichtig. Wichtig ist nur folgendes:
Das Methodenset Storytelling trägt mit Geschichten, Botschaften und Strukturen dazu bei, dass Kommunikation klar und verständlich wird, Emotionen anspricht und einen Wiedererkennungswert schafft.
Keine Definition im wissenschaftlichen Sinne. Was sagt eigentlich Wikipedia dazu? …